Mut zu bürgerfreundlich gesplittetem Hebesatz Grundsteuer B
Antrag zu TOP 6 und 6.a der Rats-Fortsetzungssitzung am 17.12.2024
Sehr geehrter Herr Pesch,
mit Antrag vom 22. Juni 2024 hatte die CDU-Fraktion die von der Landesregierung NRW geschaffene Möglichkeit zur Splittung des Hebesatzes B für die Grundsteuer von Wohngrundstücken und Nichtwohngrundstücken zur Prüfung empfohlen.
Grund hierfür ist die systematische Mehrbelastung von Wohngrundstücken durch das Bundesmodell, welche mit einem einheitlichen Hebesatz in der Gesamtsumme zu höheren Wohnnebenkosten führen würde.
Bei einem gesplitteten Hebesatz kann nicht nur das Gesamtaufkommen der Grundsteuer unverändert bleiben, sondern es ist darüber hinaus möglich, dass die Aufkommensneutralität auch innerhalb der Vermögensarten “Wohngrundstücke“ und „Nichtwohngrundstücke“ in der Summe verwirklicht werden kann.
Die Verwaltung hat mit der Vorlage 227/2024 die geforderten Rechengrößen dargestellt und mit Blick auf die gesetzliche Möglichkeit, die gutachterlich im Auftrag des Landes NRW durch renommierte Professoren des Öffentlichen und Steuerrechts der Universität Münster und der Ludwig-Maximilians-Universität München bestätigt ist, für Ratingen die Anwendung des gesplitteten Hebesteuersatzes zunächst auch empfohlen.
Mit der zwischenzeitlich bekannt gewordenen gutachterlichen Stellungnahme von Professoren des öffentlichen und Steuerrechts der Universität Osnabrück und Hamburg im Auftrag des Städtetages NRW werden demgegenüber Rechtsrisiken bei der Nutzung der Wahlmöglichkeit eines gesplitteten Hebesteuersatzes für die Grundsteuer dargelegt.
Die CDU-Fraktion hat sich mit beiden Gutachten auseinandergesetzt und hält verfassungs-rechtliche Kritik (insbes. auf Basis Art. 3 GG) für weniger belastbar.
Das erstgenannte Gutachten der Landesregierung kommt u.E. zu Recht zu dem Ergebnis, dass jedenfalls bei den vorliegenden Ratinger Verhältnissen eine verfassungsrechtliche Problematik nicht zu erwarten ist. Dort werden auch ähnliche höchstrichterliche Rechtsprechungen z.B. zu der weitaus höhere Ungleichheiten hinnehmenden Erbschaftssteuerrecht (Bewertung Betriebsvermögen, 2014), der ökologischen Steuerreform 2004 (stromsteuerrechtliche Vergünstigungen für Gewerbe) nachvollziehbar dargestellt.
Insbesondere wird mit den Ratinger Hebesätzen der als „save heaven“ der Hebesatzspreizung geltende Wert von 50% (aus einer FG-Rechtsprechung in Sachsen resultierend) nicht überschritten.
Das von uns als gering angesehene Risiko der Stadt Ratingen ist ausschließlich für nicht bestandskräftige Steuerbescheide vorhanden. Klagen von Wohngrundstückseigentümern wären wegen deren Entlastung kaum zu erwarten, die Zahl der tendenziell belasteten Nichtwohngrundstücke ist deutlich geringer. Der Höhe nach würde sich bei einer im worst-case-Fall Nichtigkeit der Hebesatz-Satzung das Risiko wohl auf die Differenz zwischen dem dort beschlossenen und dem zuvor geltenden Hebesatz beschränken.
Tatsächlich zeigen Beispiele der Vergangenheit, dass das Verfassungsgericht in ähnlich gelagerten Fällen dazu neigt, eine „Unvereinbarkeit mit befristeter Fortgeltungsanordnung“ zu erklären, was im Prinzip lediglich zu einer „Reparaturverpflichtung“ für die Zukunft führt (so auch bei der Entscheidung des BVerfG zu den gleichheitswidrigen Einheitswerten 2018).
In einem solchen Fall würde selbst bei einer Verfassungswidrigkeit des Landesgesetzes kein Schaden für die Stadt Ratingen entstehen.
Beschlussvorschlag:
Es wird empfohlen, die folgende Begründung als Annex einzubeschließen:
Begründung:
Ziel des BVerfG war es bei seinem Unvereinbarkeitsbeschluss zu den gleichheitswidrigen Einheitswerten, diesen Mangel – resultierend aus der veralteten Datengrundlage mit dem Bewertungsjahr 1964 - durch den Gesetzgeber neu zu ordnen.
Es war nicht das erklärte Ziel, die Wohngrundstücke generell stärker zu belasten und die Nichtwohngrundstücke zu entlasten, was bei der Ratinger Struktur jedoch signifikant geschehen würde.
Die Stadt Ratingen grenzt direkt an die Landeshauptstadt Düsseldorf und hat daher nahezu gleich hohe Wohnkosten (Mieten, Kaufpreise), welche in den letzten Jahren nachweislich signifikant und über der Einkommensentwicklung gestiegen sind.
Die Stadt Ratingen verfolgt daher seit vielen Jahren erfolgreich das Ziel, die Wohn-nebenkosten für eine insgesamt bezahlbare Wohnsituation möglichst gering zu halten.
In den Einschlägigen Vergleichen des Statistischen Landesamtes, des Bundes der Steuerzahler e.V., Haus und Grund e.V. und anderer belegt Ratingen bei den Kosten für Abfallentsorgung, Abwasser, Straßenreinigung, anderen öffentlichen Leistungen und eben auch der Grundsteuer langjährig Spitzenplätze der günstigsten Städte in NRW.
In diesem Sinne hat der Rat der Stadt Ratingen bereits frühzeitig die Verwaltung beauftragt, die Neuordnung der Grundsteuererhebung aufkommensneutral umzusetzen, d.h. die Summe der Grundsteuereinnahmen soll sich durch den Systemwechsel nicht zu Lasten der Steuer-pflichtigen erhöhen.
Die Bewertungssystematik des Bundesmodells würde aber selbst dann noch zu einer erheblichen Mehrbelastung bei Bürgern (für Wohngrundstücke) bei gleichzeitig erheblicher Entlastung von Nichtwohngrundstücken in Ratingen führen, wenn es bei einem einheitlichen Hebesatz für alle Gebäudearten bliebe.
So wäre konkret bei einer Aufkommensneutralität ein einheitlicher Hebesatz von 510% anzusetzen, während für Wohngrundstücke bei einer Splittung ein Hebesatz von 446% entsteht. Somit wären in der Kohorte der Wohnungsgrundstücke die zu zahlenden Grundsteuern um 12,5% höher als bei der Splittung.
Das Land NRW bietet – ähnlich wie das Saarland und Schleswig-Holstein) mit der Neuregelung der Grundsteuer die Möglichkeit an, für den Hebesteuersatz genau aus Gründen der Wohnebenkostenstabilisierung eine Differenzierung der Hebesätze für die unterschiedlichen Gebäudetypen vorzunehmen. Damit kann auch innerhalb der Gebäudetypen eine Aufkommensneutralität erreicht werden.
(Bewertungsbedingte Einzelfallverschiebungen lassen sich bei dem Bundesmodell dennoch nicht vermeiden).
Der Rat der Stadt Ratingen hat die vom Städtebund NRW gutachtlich dargelegten Rechtsrisiken bewertet und kommt zu dem Schluss, dass in der Abwägung das Ziel der Wohnnebenkostenstabilisierung die als beherrschbar erscheinenden Rechtsrisiken überwiegt.
Gutachten:
drueen-krumm_gutachten_grundsteuerhebesatzdifferenzierung_16-8-2024.pdf
Staedtetag-NRW-Gutachten-Hebesatzdifferenzierung.pdf
Anlage:
Bekannte gesplittete Hebesätze von Beispielstädten (unvollständig)
Wohngrundstücke Nichtwohngrundstücke
Essen: 655 1.290
Duisburg 886 1.369
Münster 410 620
Hilden (HAFA) 315 650